Die prominentesten Objekte in der Debatte um die Rückgabe von Sammlungsgütern aus kolonialem Kontext sind die sogenannten Benin-Bronzen.
Dieser Begriff umfasst in Wirklichkeit jahrhundertealte höfische Kunstwerke, die aus unterschiedlichsten Materialien wie Messing, Elfenbein, Koralle und Holz gefertigt wurden. Sie stammen aus dem Königtum Benin, das im heutigen Edo State in Nigeria liegt und zu einem der wichtigsten Königreiche in der Geschichte Afrikas zählt. Es besteht seit dem 12. Jhd. und war von 1897 bis 1960 Teil der britischen Kolonie Nigeria.
Das Jahr 1897 markiert einen traumatischen Einschnitt, denn 1897 wurde der Palast des Königtums von britischen Truppen eingenommen, geplündert und niedergebrannt. Dabei wurden viele Menschen getötet, der König ins Exil verbannt und geschätzt tausende von Kunstwerken, von denen zahlreiche bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen, als koloniale Kriegsbeute nach Europa abtransportiert. Viele der Werke wurden von Londoner Auktionshäusern versteigert und gelangte so in europäische und amerikanische Museen wie auch die 96 Werke in das RJM. Der größte Teil der 1897 geraubten Schätze kam schon vor dem ersten Weltkrieg in die Museumssammlungen.
Das Königtum Benin, seine traditionellen Herrschaftsstrukturen und sein kulturelles Erbe spielen in Nigeria auf politischer und spiritueller Ebene bis heute eine wichtige Rolle. Die Edo hielten mittels ihrer Hofkunstwerke über Jahrhunderte hinweg die wesentlichen Geschehnisse im Königtum fest: Kriege und Kriegsherren, Verdienste und Taten der Königinnen und Könige, Thronnachfolgen und bedeutsame Rituale. Die Hofkunstwerke hatten auch eine sakrale Funktion, um die Vorfahren zu ehren. 1897 haben die Briten somit fast das komplette materielle königliche Archiv geraubt. Das hatte in Nigeria ein bis heute nachwirkendes koloniales Trauma zur Folge.